Arme Teufel, Glücksritter und dubiose Gesellen
Die eine Seite ist: Jedes Land hat die Befugnis, den Zuzug zu regeln. Hat ein Fremder keinen "Aufenthaltstitel", ist - sofern keine "gelinderen Mittel" greifen - Schubhaft zulässig. Sie ist keine Strafe, sondern soll den Fremden "in Griffweite" der Behörde halten, bis diese das Verfahren abgeschlossen hat.
Die andere Seite sind die Menschen, die von diesem (komplizierten) Regelwerk betroffen sind. Delinka Milojevic, Kind serbischer Zuwanderer und studierte Politikwissenschaftlerin, kennt die Probleme dieser Menschen genau. Seit fünf Jahren betreut sie beim Verein Menschenrechte Schubhäftlinge. "Wir betreuen viele Leute, deren Aufenthaltstitel abgelaufen ist, die etwa schwarz gearbeitet haben - oder Menschen, gegen die ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde. Häufig sind auch Dublin-Fälle - also wenn Asylwerber in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt haben und dorthin zurückgebracht werden."
Einen derartigen Fall betreut Schara Magied: "Samir *) aus Afghanistan ist Anfang 20. Er hat mir erzählt, dass er 15.000 US-Dollar (11.900 €) an Schlepper bezahlt hat. Seine Familie hatte für ihn das Geld zusammengelegt. Sein Vater und sein Onkel waren beim Militär. Sie wurden der alten Regierung zugerechnet und ermordet." In einem Schlepper-Lager an der türkisch-iranischen Grenze, erzählt Samirs Betreuerin, wurden zwei Afghanen erschossen, weil sie sich kein Geld abnötigen lassen wollten. Die Leichen wurden beseitigt, es gibt keine Beweise und keine Zeugen, die reden - die Tat hatte nie Konsequenzen.
Dublin-Fälle
"Sein Asylverfahren läuft in Ungarn, er wird dorthin überstellt", sagt Magied. Sie hilft ihrem Schützling mit einem Handy aus und klärt Rechtsfragen. Seit 2005 ist ihr Mandant bereits im EU-Raum unterwegs - wo er überall war, wollte er ihr nicht sagen. In Griechenland hätte er einmal kurz gearbeitet, erzählte er ihr. Aus Ungarn sei er (trotz Vorgabe, das Verfahren dort abzuwarten) weggegangen, weil er sich anderswo eine schnellere Erledigung erhoffte.
Die Dauer der Verfahren sind nach wie vor ein Problem. Milojevic: "Seit Installierung des Asylgerichtshofs ist die Situation etwas besser geworden - es gibt aber noch viele alte Asyl-Fälle, die sich seit Jahren ziehen." Die Arbeit der Polizei sei selten zu beanstanden: "Sie hat sich seit dem Fall Omofuma sicher verbessert."
Dimitri Sastsraposhvili hat einen Georgier zu betreuen: "Wir können vorerst nur die Entscheidung der Behörde abwarten."
Was war passiert? Man könnte es wohl als Pechsträhne bezeichnen, wenn man den Angaben des 29-Jährigen folgt: Er hatte eine Landsfrau geheiratet und war legal in Österreich. Laut Sastsraposhvili arbeitete er als Siebdrucker. Doch dann: Die Behörde glaubte an eine Scheinehe, der 29-Jährige verlor seinen Job und die Frau ließ sich scheiden: "Seine Frau ist weg, seine Wohnung ist weg, sein Auto ist weg." In Georgien hat der Mann keine Verwandten mehr - ein schwieriger Fall, selbst für den erfahrenen Betreuer.
Daneben sitzt ein Nigerianer mit Rasta- Frisur. Er sei Künstler und macht keinen Hehl daraus, dass er straffällig geworden ist. Er meint, sagt sein Betreuer, dass er stets bereit war zu arbeiten: Dies war aber nicht möglich - und die Karriere als Krimineller nahm seinen Lauf. Nun ist er im Hungerstreik.
Eigentlich habe er sich vorgestellt, in Österreich zu arbeiten, auch eine Frau wollte er haben. Die Frage, ob sich der Afrikaner wirklich Gedanken gemacht hat, unter welchen Voraussetzungen man in einem europäischen Staat Fuß fassen kann, blieb offen.
Artikel vom 07.02.2010 15:33 | KURIER
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