Neuere Artikel ältere Artikel
Neuere Artikel                                                   09.08.2016                                                   Ältere Artikel


Diese Migranten werden an der Grenze abgewiesen
© Welt.de

Die Dublin-Regeln werden wieder verstärkt angewendet: An der deutsch-österreichischen Grenze wurden im ersten Halbjahr mehr als 10.000 Zuwanderer zurückgewiesen. Drei Gruppen dürfen nicht ins Land.

Anfang des Jahres zogen die Menschen noch von Süden nach Norden. Jetzt aber fließt der Zuwandererstrom – wenn auch in weit geringerem Umfang – in die umgekehrte Richtung. Etwa der Hälfte der Migranten, die derzeit an die Grenze kommen, wird die Einreise verweigert, und sie werden wieder nach Österreich zurückgeschickt. Generell weisen Deutschlands Grenzschützer an den Außengrenzen viel mehr Migranten ab. Im ersten Halbjahr 2016 waren es rund 13.300, wie die "Neue Osnabrücker Zeitung" aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Linke-Anfrage zitierte. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr gab es demnach etwa 8900 Zurückweisungen.

Der größte Teil der Zurückgewiesenen im ersten Halbjahr dieses Jahres – 10.600 Personen – durfte von Österreich nicht nach Deutschland weiterreisen. Bei jedem Vierten handelte es sich um Afghanen, gefolgt von Syrern und Irakern. Die österreichische Polizei bestätigt diese Entwicklung. "Pro Woche kommen zwischen 70 und 130 Flüchtlinge wieder an der österreichischen Grenze an", sagte Andreas Pilsl, Landespolizeidirektor des Bundeslandes Oberösterreich, der "Welt". Im Nachbarbundesland Salzburg spricht die Polizei von 172 aus Deutschland zurückgewiesenen Personen im Juli, Tendenz steigend.

Wann Deutschland Migranten an der Grenze abweist

In den meisten Fällen weist die Bundesrepublik Migranten an der Grenze ab, weil diese nach der Ankunft in Deutschland keinen Asylantrag stellen wollen. Wer unerlaubt einreist und darüber hinaus keinen Schutz beansprucht, wird zurückgeschickt. Oft handelt es sich um Menschen, die über Deutschland nach Schweden weiterreisen wollen, um dort 1 Asylantrag zu stellen. Wie gelangen Migranten überhaupt an die deutsche Grenze, ohne in Österreich registriert worden zu sein? Polizeidirektor Pilsl sieht den Hauptgrund darin, dass es in österreichischen Zügen Richtung Deutschland keine lückenlosen Kontrollen gebe. 1 weiterer Grund für 1 Zurückweisung liegt vor, wenn Migranten zuvor schon 1 Asylantrag gestellt haben – etwa in Österreich –, aber dennoch nach Deutschland kommen wollen.

Zu guter Letzt wird die Einreise nach Auskunft der Polizeidirektion München in wenigen Fällen auch aus 1 anderen Grund verwehrt: Es handelt sich um Personen, die aus Deutschland ausgewiesen wurden, weil sie hier 1 Straftat begangen hatten. Sie dürfen nicht wieder einreisen. Dass sie heute gleich an der Grenze entdeckt werden, liegt an verbesserten Kontrollen.

Was in Österreich mit den Zuwanderern geschieht

Wenn die zurückgewiesenen Migranten wieder in Österreich angekommen sind, wird wiederum unterschiedlich mit ihnen verfahren. Wer 1 Asylantrag in Österreich gestellt hatte, kann dort während der Bearbeitung des Antrags bleiben. Wer hingegen zuvor nachweislich in 1 anderen EU-Staat registriert worden war – etwa in Kroatien oder Ungarn –, kann dorthin zurückgeschickt werden. So sehen es die Dublin-Regeln vor: Migranten müssen in dem EU-Staat ihren Asylantrag stellen, in dem sie zuerst den Boden der Europäischen Union betreten hatten. Diese Regeln wurden in der Hochphase der Flüchtlingskrise kaum beachtet; da inzwischen aber infolge des EU-Abkommens mit der Türkei wesentlich weniger Zuwanderer kommen, wird das EU-Asylsystem inzwischen wieder verstärkt angewendet. Auch in Österreich.

Vesna Kolic vom Verein Menschenrechte in Oberösterreich sagte: "Im Moment tritt in Österreich das Phänomen auf, dass jene Menschen, die über Länder wie Slowenien, Kroatien oder Ungarn vor 1 Jahr eingereist waren und in Österreich kein Asylgesuch gestellt hatten, nun aufgrund des Dublin-Abkommens zurückgeschickt werden." Allerdings können die Behörden oft nicht mehr feststellen, aus welchem EU-Land die Migranten zuvor eingereist waren. In diesem Fall bleiben sie in Österreich, bis über ihren Asylantrag entschieden wird. Werden Migranten von den Behörden als nicht schutzbedürftig eingestuft, droht ihnen die Abschiebung – falls sie nicht freiwillig ausreisen. Kolic, die seit 20 Jahren mit solchen Migranten arbeitet, sagte: Viele könnten "ihre Lage schwer einsehen", da sie sich "mit Zukunftsperspektiven auseinandersetzen müssen, die sie nicht gewollt haben".

"Ungarn spielt bei Bewältigung der Flüchtlingskrise große Rolle"

Spannungen zwischen Deutschland und Österreich wegen der steigenden Zahl an Zurückweisungen gibt es indes nicht. Die Kommunikation der deutschen und der österreichischen Behörden an den Grenzen laufe "sehr gut", bestätigten die Polizeidirektion München und die Polizei in Oberösterreich. Seit November 2015 gibt es in Passau 1 Kooperationszentrum, wo deutsche und österreichische Beamte zusammenarbeiten.

Komplizierter sei die Zusammenarbeit mit den ungarischen Behörden gewesen, heißt es bei der österreichischen Polizei. "Die schwierige politische Großwetterlage im September 2015 haben auch wir zu spüren bekommen", sagt David Furtner, Sprecher der Polizei Oberösterreich.

Zeitweise habe 1 regelrechte Funkstille zwischen den ungarischen und den österreichischen Behörden geherrscht. Der damalige Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hatte gar 1 Vergleich zwischen dem Nationalsozialismus und der ungarischen Flüchtlingspolitik gezogen: "Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woandershin fahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents." Mittlerweile habe sich die Lage aber wieder beruhigt, sagte Furtner: "Man hat erkannt, dass Ungarn bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise 1 große Rolle spielt."

© Welt.de / Valerie Schmid
1. August 2016

 zurück ...

 

Anschrift: Alser Straße 20/21+22, A-1090 Wien     Tel: +43 (1) 40 90 480    Fax: +43 (1) 40 90 480 -2      E-mail: wien@verein-menschenrechte.at      ZVR-Zahl: 460937540