Pressetext vom 20-04-2006
Hintergrundinformationen anlässlich des Misshandlungsfalls Bakary J.
Vorbemerkung
Eine professionell, weil menschenrechtskonform agierende Polizei ist unverzichtbar für den Menschenrechtsschutz in Österreich. Ungeachtet des Ansehens der Person und des Vorlebens eines mutmaßlichen Opfers ist das Verprügeln, Bedrohen oder Quälen eines Gefangenen durch österreichische Polizisten völlig inakzeptabel. Ein derartiges Verhalten ist nicht nur ein Übergriff gegen einen Häftling, sondern untergräbt auch das Vertrauen der Bevölkerung in eine rechtsstaatlich korrekt agierende Polizei.Der "Verein Menschenrechte Österreich" fordert eine Null-Toleranz gegen unprofessionelles, weil menschenrechtswidriges Verhalten innerhalb der Exekutive und nimmt zufrieden stellend zur Kenntnis, dass die entsprechenden Schritte (Suspendierung, Information des Menschenrechtsbeirats, …) von der Polizeiführung unverzüglich in Gang gebracht wurden.
Best-practice-Modelle bei Abschiebungen
In Aufarbeitung des Todesfalls Omofuma 1999 hat Österreich die Durchführung begleiteter Abschiebungen neu geordnet und menschenrechtliche Sicherungssysteme eingebaut, die im internationalen Vergleich als best-practice-Modelle gelten.Der "Verein Menschenrechte Österreich" ist in mehrfacher Weise an der praktischen Umsetzung des hohen menschenrechtlichen Standards beteiligt: durch die Schubhaft¬betreuung, die an den vorbereiteten Kontaktgesprächen teilnimmt, das Monitoring von Abschiebungen, sowie durch Vorsitzenden Günter Ecker als unabhängiger Menschenrechtsbeobachter bei Charterabschiebungen.
Kontaktgespräche
2006: bisher 17 Kontaktgespräche unter Beteiligung des "Verein Menschenrechte Österreich" Mit Erlass vom 28. Mai 1999 hat das BM.I "Kontaktgespräche" bei Abschiebungen auf dem Luftwege eingeführt. Zielstellung des üblicherweise am Vortag stattfindenden Gesprächs der Begleitbeamten ist die psychologische Vorbereitung der abzuschiebenden Person auf den bevorstehenden Abschiebevorgang. Der Menschenrechtsbeirat hat in seinem Bericht zu "Problemabschiebungen" vom Oktober 1999 dazu empfohlen, "die Schubhaftbetreuer und –betreuerinnen zum Kontaktgespräch der Begleitbeamten und –beamtinnen mit der abzuschiebenden Person beizuziehen".In den Förderverträgen ist seither die "Teilnahme am Kontaktgespräch der Begleitbeamten/innen mit der abzuschiebenden Person, sofern diese nicht widerspricht, jedenfalls aber bei Problemabschiebungen" als Aufgabe der Schubhaftbetreuung festgelegt. Betreuer des "Verein Menschenrechte Österreich" nehmen an jedem Kontaktgespräch teil, von dem sie Kenntnis erhalten und die Teilnahme organisatorisch machbar ist. Im Jahr 2006 waren dies bisher 17 Kontaktgespräche.
Der "Verein Menschenrechte Österreich" konnte sich in den letzten 3 Jahren davon überzeugen, dass von den Begleitbeamten der WEGA den Kontaktgespräche mit den abzuschiebenden Fremden eine große Bedeutung für das Gelingen einer problemlosen Abschiebung beigemessen wurde. Gemäß den Intentionen des Menschenrechtsbeirats hat die WEGA die Schubhaftbetreuung über geplante Kontaktgespräche immer zeitgerecht informiert und um Teilnahme des zuständigen Betreuers gebeten.
Menschenrechtsbeobachter bei Charterabschiebungen
Am 24.06.1999 wurden erstmals Schubhäftlinge mittels Charterflug aus Österreich abgeschoben. Im Oktober 1999 empfahl der Menschenrechtsbeirat dem Innenminister, "Vorwürfen mangelnder Kontrolle bei Charterflügen dadurch zu begegnen, dass ein in Bezug auf alle Beteiligten (einschließlich des Luftfahrtunternehmens) unabhängiger Menschenrechtsbeobachter am Flug teilnimmt".Dieser Empfehlung wird seit der Charterabschiebung am 27.10.2001 in der Weise entsprochen, dass Günter Ecker als Menschenrechtsbeobachter jedenfalls am Transfer der abzuschiebenden Personen vom Polizeianhaltezentrum Wien zum Flughafen Wien-Schwechat und nach Maßgabe der Möglichkeiten am Flug selbst teilnimmt. Die Begleitbeamten werden bei Charter-Abschiebungen vom Einsatzkommando Kobra gestellt. Ihr Umgang mit den abzuschiebenden Personen war zu jedem Zeitpunkt korrekt und – soweit es im Rahmen einer derartigen Amtshandlung möglich war – entgegenkommend. Die fallweise einzusetzende Körperkraft zur Überwindung von Widerstandshandlungen war bislang zu jedem Zeitpunkt als verhältnismäßig einzustufen. Die Einsätze waren zu keinem Zeitpunkt von unangemessenen Bemerkungen begleitet.
Beobachtet werden konnte bislang eine sehr professionelle, weil auch menschenrechtskonforme Durchführung der Charterabschiebungen.
Monitoring von Abschiebungen
2005: Jeder zweite aus PAZ Wien Abgeschobene konnte für Monitoring erreicht werden In Umsetzung einer Empfehlung des Menschenrechtsbeirats hat das BM.I den "Verein Menschenrechte Österreich" mit einem "Monitoring aufenthaltsbeendender Maßnahmen" betraut.Schubhäftlinge (oder deren Angehörige) werden nach Ihrer Rückführung von den Betreuern telefonisch kontaktiert und zum Verlauf der Rückführung, der Einreise und der ersten Tage im Herkunftsland befragt.
In Nigeria, Georgien und Moldawien arbeitet der "Verein Menschenrechte Österreich" darüber hinaus im Monitoring mit lokalen NGO-Partnern zusammen, die abgeschobene Personen vom Flughafen abholt, erste Assistenz leistet und zum Verlauf der Abschiebung befragt.
Auf diese Weise konnten im Jahr 2005 allein 674 Schubhäftlinge (46,5 %), die im Polizeianhaltezentrum Wien vom "Verein Menschenrechte Österreich" betreut wurden, nach ihrer Rückführung für ein Monitoring erreicht werden.
Der "Verein Menschenrechte Österreich" erhielt bislang von den befragten Schubhäftlingen in überwiegender Zahl positive Rückmeldungen zum Verhalten der österreichischen Begleitbeamten während der Abschiebung – was angesichts der Durchsetzung einer Zwangsmaßnahme in der Deutlichkeit doch überrascht. Stellvertretend zwei nicht untypische Angaben von Schubhäftlingen, die begleitet abgeschoben wurden:
Der Bosnier R. gab an, die ihn begleitenden Beamten wären während des Fluges nett zu ihm gewesen. Es sei nicht aufgefallen, dass es sich um eine Abschiebung und bei den Begleitpersonen um Polizisten gehandelt habe.
Herr B. A. wurde am 21.07.2005 begleitet von drei WEGA-Beamten in die Dominikanische Republik abgeschoben. Er gab im Zuge des Monitorings an, die Beamten wären sehr freundlich zu ihm gewesen. In Madrid habe er die Nacht in einem Anhaltezentrum am Flughafen etwas ungemütlich verbracht. In Santo Domingo hätten sich die Polizisten sehr fair verhalten. Seine Dokumente hätten sie ihm bereits im Flugzeug zurückgegeben, ohne irgendein Aufsehen zu erregen. Er hat sich dann verabschiedet, ist aus dem Flugzeug gegangen und die Beamten wären zurückgeblieben. Bei der Passkontrolle habe es auch überhaupt keine Probleme gegeben. Er konnte ganz normal einreisen. Während der ganzen Abschiebung hätten ihm die Wega-Beamten keine Handschellen oder sonstige Bänder angelegt. Die geringe Zahl an Beschwerden über das Verhalten der österreichischen Begleitbeamten war in fast allen Fällen auf das Anlegen einer Handfessel im Verlauf der Abschiebung zurückzuführen.
Beispiel: Monitoring Gambia
Bis Ende 2005 konnten 28 Monitoring-Fälle zu Gambia erfasst werden:Gambia | Rückführung aus PAZ Wien | Monitoring Fälle | Monitoring in % |
2003 | 3 | 2 | 66,66% |
2004 | 16 | 8 | 50,00% |
2005 | 24 | 18 | 75,00% |
2003: Herr S., Gambia, musste einen Tag am Flughafen verbringen, weil er kein Geld für die Weiterreise in sein Dorf hatte, das 200 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt.
2005: Herr D. wurde im Zuge seiner freiwilligen Rückkehr nach Gambia bei seiner Zwischenlandung in Frankfurt/M. (D) aufgrund eines offenen Gerichtsverfahrens (unserer Information nach Besitz von 0,5 Gramm Marihuana) in Deutschland festgenommen und in die JVA Hannover gebracht.
EU/ARGO-Projekt: "Only Austria provides a certain system of monitoring
Österreich zeigt mit dem "Monitoring aufenthaltsbeendender Maßnahmen" ein sehr hohes Verantwortungsbewusstsein in einem menschenrechtlich sensiblen Bereich. Dass Österreich hier den EU-Mitgliedsstaaten ein Best-Practice-Modell im Rückführungs-Management anbietet – darauf hat das von IOM koordinierte und von der EU geförderte ARGO-Projekt in seinem im August 2005 erschienen Bericht "Compilation of Best Practice in Return Management in Selected EU Countries and Romania" wie folgt gewürdigt:"A clear monitoring system for return operations can result in a high standard of human rights and a low use of force during return operations. As an effect, the number of escorts of forced returnees seems to diminish because of the monitoring system. So far, however, only one participating Member State uses such a clear and transparent monitoring system. ... Only Austria provides a certain system of monitoring."
Vorschläge
- MR-Beobachter bei EU-Charter: Der "Verein Menschenrechte Österreich" geht davon aus, dass die zunehmende Verweigerung von Fluglinien, "deportees" auch gegen ihren Willen zu befördern, zum verstärkten Einsatz von Charterflügen – national und im EU-Verbund - führen wird.
Österreich ist gefordert, seine positiven Erfahrungen in der Begleitung von Charter¬abschie¬bungen durch einen unabhängigen Menschenrechtsbeobachter bei Charterflügen im EU-Verbund als menschenrechtlichen Mindeststandard einzufordern. -
Begleitung bis zum Flugzeug: Bislang nehmen Schubhaftbetreuer bei begleiteten Abschiebungen mit Linienmaschinen nur am Kontaktgespräch von Begleitbeamten und abzuschiebender Person im PAZ teil. Eine Begleitung des Schubhäftlings vom Polizeianhaltezentrum auf den Flughafen durch den Betreuer sollte überlegt werden.
Sollte es als taugliches Mittel zur Sicherung der Menschenrechte erachtet werden, ist der "Verein Menschenrechte Österreich" probeweise bereit, Schubhäftlinge, die aus dem PAZ Wien abgeschoben werden, bis zum Flugzeug zu begleiten.
zurück ...