Suizidprävention: Keine Einzelhaft in den ersten 48 Stunden
Pressetext vom 13-07-2005
Übernahme des bewährten "Listener-Modells" der Justizanstalt Innsbruck gefordert
"Keine Einzelhaft in den ersten 48 Stunden" fordert Günter Ecker, Geschäftsführer des "Verein Menschenrechte Österreich" für den Bereich der Polizeianhaltezentren – unabhängig davon, ob es sich um Schubhaft, eine Verwaltungsstrafhaft oder eine Verwahrungshaft aufgrund eines richterlichen Haftbefehls handelt. Denn Suizide in Polizeianhaltezentren haben eines gemeinsam: sie erfolgen in den ersten 48 Stunden der Anhaltung. Die Justizanstalt Innsbruck hat ein präventives Gegenmittel erfolgreich erprobt. Seit der Einführung des "Listener"-Modells hat sich in der JA Innsbruck kein neu eingelieferter Häftling mehr das Leben genommen. Das Listener-Modell empfiehlt sich damit dringend zur Nachahmung im Bereich des Innenministeriums.
Listener Modell: Selbsthilfe der Häftlinge gegen Haftschock
Nachdem sich in der Justizanstalt Innsbruck 1998 innerhalb weniger Monate drei Häftlinge das Leben genommen haben wurde das "Listener"-Modell erprobt. Alle drei Häftlinge waren Untersuchungshäftlinge, befanden sich erst wenige Stunden in der Anstalt und nahmen sich das Leben in der ersten Nacht der Haft. Die Suizidhandlungen wurden offenbar unter dem Eindruck eines ersten "Haftschocks" gesetzt. Mit dem "Listener-Modell" wurde daher den neu eingelieferten Häftlingen besondere Aufmerksamkeit in der Suizidprävention gewidmet: Eine Gruppe von Strafgefangenen stellt sich seither freiwillig und nach entsprechender Auswahl und Einschulung durch Fachpersonal den neuen Häftlingen in der aktuellen Krisensituation als Zuhörer ("Listener") und Ansprechpartner zur Verfügung. Es hat sich gezeigt, dass es für Neuinhaftierte sehr entlastend ist, in den ersten Stunden nicht alleine zu sein, sondern einen Gesprächspartner zu haben. Die "Listener" werden vor allem nachts und an Wochenenden in Anspruch genommen, also in der Zeit in der die psycho-sozialen Dienste der Justizanstalt nicht zur Verfügung stehen."Ecker: "Diese ehrenamtliche Selbsthilfe unter Häftlingen zur Bewältigung des Haftschocks hat sich bewährt. Das Innenministerium ist hier gefordert, diese positiven Erfahrungen in der Suizidprävention für die Polizeianhaltezentren aufzugreifen."
Suizidprävention als roter Faden für "Anhalteordnung neu"
Am 27. Juni wurden im BM.I die Arbeiten zu einer "Anhalteordnung neu" aufgenommen, mit der die Anhaltung von Menschen im Bereich des Innenministeriums geregelt wird. Ecker: "Suizidprävention muss sich als roter Faden durch die gesamte Anhalteordnung neu ziehen". Besonders kritisch in Frage zu stellen ist die derzeit noch geltende Vorschrift, dass "Verwahrungshäftlinge nach Möglichkeit in Einzelhaft anzuhalten" sind. Wird eine Suizidgefährdung erkannt, darf dem Häftling alles abgenommen werden, was potenziell zu einer Gefährdung seines Lebens und seiner Gesundheit herangezogen werden könnte. Die potenziell lebensgefährliche Einzelhaft selbst wird für Verwahrungshäftlinge, die vor der Überstellung in eine Justizanstalt stehen, bislang nicht in Frage gestellt.
Ecker: "Auch mit dem Listener-Modell kann ein Selbstmord nie gänzlich ausgeschlossen werden. Aber derart präventive Maßnahmen können im Einzelfall lebensrettend sein – und jeder Einzelfall zählt!"
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