Keine Perspektive: Heuer kehrten 323 Asylwerber in ihre Heimat zurück
Hassan lächelt glückselig. In Gedanken ist der gebürtige Iraker, 72 Jahre, längst bei seinem Sohn, der in der iranischen Hauptstadt Teheran bereits sehnsüchtig auf ihn wartet. Hassan, der früher als Dolmetscher gearbeitet hat, wird in den kommenden Wochen in den Flieger steigen und Österreich für immer verlassen. In seine Heimat zurückkehren. Freiwillig. Wie bereits mehr als 320 Flüchtlinge seit beginn des Jahres, die in Oberösterreich untergebracht waren. Hassan, der aufgrund der Dublin-Verordnung in Kürze nach Kroatien überstellt hätte werden sollen, ist aus dem Irak geflüchtet. Weil er sich in Europa ein besseres Leben erwartet hat. Die Versprechungen der Schlepper, denen er 12.000 Dollar für die Überführung bezahlte, haben sich nicht erfüllt. Nun hat er genug von Europa. Perspektiven sind aussichtslos "Österreich ist wirklich schön. Die Leute sind sehr ehrlich und gastfreundlich. Aber meine Perspektiven hier sind aussichtslos", übersetzt sein Betreuer Peyman Naserbacht, der sich beim Verein Menschenrechte in Linz um die Betreuung von Asylwerbern und Migranten kümmert. Auch Ehsanullah gehört zu seinen Klienten. Der Iraner hat sich ebenfalls entschieden, zwanglos in den Iran zurückzukehren. "Die Zeit zwischen meinem Aufbruch und jetzt ist die schlimmste in meinem Leben. Ich habe mir das anders vorgestellt. Ich dachte, ich kann hier ein weiteres Studium beginnen oder Arbeit finden", sagt der ausgebildete Innenarchitekt, in dessen Heimat sich viele Jugendliche wegen mangelnder Berufsaussichten und Unterdrückung in den Westen auf machen.
Ehsanullah haben hier auch die pauschalen Verunglimpfungen zu schaffen gemacht. "Ich habe sehr oft versucht, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen, aber die wollten nichts mit mir zu tun haben. Leider können sich einige Flüchtlinge nicht benehmen und wegen ihnen werden alle in einen Topf geworfen und die Leute gehen auf Distanz", erzählt der 28-Jährige. Bald gehören solche Begegnungen der Vergangenheit an. Denn er und sein gleichaltriger Freund Ahmed treten am Dienstag frühmorgens von Linz aus zum Flughafen Wien-Schwechat die Rückreise an. 100 Euro werden ihnen dafür aus dem Topf des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausbezahlt. Aber das Geld ist kein Anreiz. "Es gibt sogar welche, die die Kosten für den Flug übernehmen", sagt Vesna Kolic. Die Leiterin des Vereins und ihr Team kümmern sich darum, dass Menschen wie Hassan, Ahmed und Ehsanullah schnellstmöglich außer Landes gebracht werden, organisieren die notwendigen Dokumente, buchen und kaufen Flugtickets. One way. Wohlgemerkt. Denn zurück wollen sie nicht. "Auf keinen Fall. Mit Österreich habe ich abgeschlossen", sagt Ahmed und streicht sich abwertend die Hände.
Fünf Fragen an...Vesna Kolic
Leiterin vom Verein Menschenrechte
Die Leiterin kümmert sich um die Rechtsberatung von Asylwerbern
1. Frau Kolic, warum steigt die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise so stark an?
Sehr viele unserer Klienten, die nach Österreich geflüchtet sind, wurden durch falsche Versprechungen der Schlepper angelockt und stellen nun fest, dass die Wirklichkeit anders ist.
2. Welche Versprechungen wurden den Flüchtlingen gegeben?
Dass sie gut bezahlte Arbeit und eine Unterkunft bekommen, und ihre Familien nachholen können. Die Schlepper sind geschickt, was Versprechungen angeht.
3. Wie begründen die Asylwerber den Wunsch ihrer freiwilligen Ausreise?
Viele verlieren die Hoffnung, dass ihnen der Aufenthalt bewilligt wird. Teilweise verspüren sie einen enormen Druck der Familie, die sie zurückgelassen haben.
4. Werden auch Kulturschock und Anpassungsschwierigkeiten als Grund genannt?
Der Aufenthalt hier führt oft zu einer Zersplitterung der Familie. Ein Teil findet sich sehr gut zurecht, der andere kommt in der westlichen Welt nicht klar.
5. Ist auch der finanzielle Anreiz ein Grund für die Ausreise?
Nein, keinesfalls. Manche bezahlen die Heimreise sogar selbst.
© Oberösterreich Nachrichten / Valentina Dirmaier
13. August 2016